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Insa Bauer

Die City Agents auf heißer Spur

eISBN: 978-3-649-61792-1

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Laura, Marie, Moritz und Alexander sitzen auf dem oberen Deck eines roten Doppeldeckerbusses in London. Sie haben gerade den Tower und die Tower Bridge besichtigt und fahren jetzt in Richtung Oxford Street.

„Ganz schön gruselig war das im Tower!“, Laura schüttelt sich bei dem Gedanken an das düstere alte Gemäuer. Marie nickt. „Mir läuft immer noch eine Gänsehaut den Rücken rauf und runter.“

„Ich fand das total spannend“, sagt Moritz. Er zeigt ihnen das Display seiner Digitalkamera. „Hier ist alles super im Bild. Besonders die komischen Typen, die da von der Tower Bridge winken.“

Alexander, der neben Moritz sitzt, knufft ihn. „Sprich nicht so von uns, deinen besten Freunden. Das gibt Ärger.“ Moritz lacht und will gerade etwas erwidern, als Marie ihn am Ärmel zupft. „He, guck mal! Auf dem Sitz vor dir liegt ein Zettel.“

Moritz beugt sich zum Gang und angelt mit den Fingern nach dem Papier. Er beginnt zu übersetzen, was da in dicken roten Buchstaben geschrieben steht:

„Stoppt die Luft... Was heißt pollution?“

Alexander zieht sein Wörterbuch aus der Hosentasche und blättert. „Pollution – Verschmutzung“, antwortet er.

„Stoppt die Luftverschmutzung! Oder es passiert was!“

„Zeig mal her!“ Laura schnappt sich das Blatt. „Seltsam. Wer schreibt so was?“

„Vielleicht Umweltschützer“, vermutet Marie. „Die Busse und die vielen Autos stinken aber auch wirklich ganz schlimm.“

„Oder es passiert was!“, murmelt Laura und denkt über die Drohung nach. „Ich glaube, jemand will die Busfirma erpressen.“

„Du liest zu viele Krimis. Deshalb muss man doch nicht gleich die Busfirma erpressen“, meint Moritz und steckt den Zettel ein.

„Wer hat denn auf dem Platz gesessen?“, forscht Marie weiter nach.

„Eine schwarze Spinne“, antwortet Alexander. Als Marie ihn verblüfft ansieht, lacht er und erklärt: „Da saß ein Mädchen mit einem Ohrring, der aussah wie eine Spinne. Sie ist an der letzten Haltestelle ausgestiegen.“

Laura ist das Mädchen auch aufgefallen. „Die hatte ganz schwarze Klamotten an. Und ihre stoppelkurzen Haare waren auch pechschwarz.“

„In welche Richtung ist sie gegangen?“, will Moritz wissen. Alexander und Laura zucken mit den Schultern. Es gab so viel zu sehen, da haben sie nicht weiter auf das Mädchen geachtet.

„Würdet ihr sie wiedererkennen?“, fragt Marie.

Laura ist sich nicht sicher. „Vielleicht. Aber so wie die sehen hier doch viele aus, bis auf die Spinne am Ohr.“

Alexander unterbricht ihre Überlegungen. „Wir müssen umsteigen. Die nächste Haltestelle ist Ecke Baker Street.“

Mit dem Bus Nummer 274 wollen die Kinder bis in die Nähe des Sherlock Holmes Museums in der Baker Street 221 b fahren. Dort sind sie mit Frau Bach, der Mutter von Laura und Moritz, verabredet. Sie ist Reisejournalistin und arbeitet für ihre Zeitung an einem Fortsetzungsbericht über „London im Frühling“. Schon frühmorgens war sie aufgebrochen, um die leuchtend gelben Osterglocken in den Grünanlagen zu fotografieren.

„Wir haben wirklich Glück, dass Papa für ein paar Monate in London arbeitet und wir ihn in den Osterferien hier besuchen können“, sagt Laura, als die Kinder an der Bushaltestelle auf die 274 warten.

„Und dass er so ein tolles großes Appartement mitten in der Stadt hat, in der wir alle mit ihm wohnen können“, ergänzt Moritz.

Auch Marie und Alexander freuen sich. „Ich fand es supernett von eurem Vater, uns gleich gestern Abend auf unsere erste ‚sightseeing-tour‘ mitzunehmen. Die vielen bunten Lichter waren toll, besonders am Piccadilly Circus!“, schwärmt Marie.

„Wollen wir eurer Mutter von dem Zettel erzählen?“, fragt Marie, als sie im Bus sitzen.

„Nee, lass mal!“, antwortet Laura. Moritz bläst seine Backen auf, wie immer, wenn er empört ist. „Wieso entscheidest du das allein? Lexi und ich sind auch noch da. Und außerdem bin ich …“

„… dein großer Bruder“, ergänzt Laura genervt. „Plustere dich bloß nicht so auf, nur weil du elf Monate älter bist als ich!“

„Hört doch auf“, bittet Marie, die wie immer versucht, den Streit der Geschwister zu schlichten. Als Einzelkind ist sie das Streiten nicht gewöhnt.

„Also, wollen wir es ihr nun erzählen oder nicht?“ Moritz guckt Alexander an, der den Kopf schüttelt. „Wir können es ihr ja später sagen. Los! Wir müssen aussteigen!“

„Hallo! Wie war es im Tower?“, fragt Frau Bach. „Sehr interessant, aber ziemlich voll“, antwortet Alexander. „Ich hoffe, in dem winzigen Sherlock Holmes Museum gibt es kein Gedränge“, sagt Frau Bach. „Vor der Tür steht ein Polizist. Würdet ihr euch bitte dazustellen, damit ich ein paar Fotos schießen kann?“

Der Polizist lächelt ihnen freundlich entgegen. Er ist es gewohnt, Fotomodell für Besucher zu sein.

„Die Fotos zeige ich in meiner Klasse herum“, sagt Alexander, als die Kinder kurz danach die engen Treppen hinaufdrängen.

„Boah! Der sieht ja aus wie echt!“, ruft Moritz plötzlich. Bewundernd bleibt er vor der Wachsfigur von Sherlock Holmes stehen.

„Und der erst!“, Marie schaudert. „Seine unheimlichen Augen verfolgen mich überallhin!“

Mit einer leichten Verbeugung deutet Alexander auf die Figur. „Darf ich vorstellen: Professor Moriarty, Sherlock Holmes’ lebenslanger Erzfeind.“

„Wann haben die denn überhaupt gelebt?“, will Marie wissen.

„Gar nicht“, antwortet Laura. „Ein Schriftsteller hat sie erfunden, Sir Arthur Conan Doyle.“

„Wenn ihr noch mehr Wachsfiguren sehen möchtet, können wir gleich zu Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett gehen“, schlägt Frau Bach vor. „Es ist ganz in der Nähe.“

Auf dem Weg zu dem Wachsfigurenkabinett in der Marylebone Street bleibt Laura plötzlich stehen. An einem Kiosk hat sie eine Zeitung entdeckt, auf der ein Zettel abgebildet ist. Und dieser Zettel kommt ihr sehr bekannt vor. Wie immer, wenn Laura aufgeregt ist, rutscht ihr die Brille von der Nase. Ungeduldig schiebt sie sie wieder hoch und zeigt auf die Titelseite. „He! Guckt mal! Der Zettel da auf der Zeitung.“

Ihre Mutter übersetzt die Schlagzeile: „Wieder drohen Umweltaktivisten der Stadt: ‚Stoppt die Wasserverschmutzung! Oder es passiert was!‘“

Moritz holt das Papier aus seinem Rucksack und hält es neben die Abbildung. „Boah! Genau die gleiche Schrift!“

Er erzählt seiner Mutter, wo sie den Zettel gefunden haben, und beschreibt ihr das Mädchen mit der Spinne im Ohr.

Frau Bach kauft die Zeitung und liest schnell den Text. „Angeblich liegen Hinweise vor, dass die Schreiber dieser Botschaft nicht vor einem Verbrechen zurückschrecken.

Am Schluss werden die Bürger gewarnt: ,Keiner weiß, wozu diese Leute fähig sind. Wo sind ähnliche Briefe aufgetaucht?‘“

„Im Bus!“ Moritz wedelt mit dem Papier.

„Madame Tussaud muss warten“, entscheidet seine Mutter.

„Wir fahren jetzt erst einmal zu New Scotland Yard.“ Sie faltet einen Stadtplan auseinander und hält ihn den Kindern hin. „Wer findet es zuerst?“

Laura ist die Schnellste. „Hier ist es! Am Broadway, Ecke Victoria Street!“, ruft sie.

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„Trafalgar Square! Hier müssen wir raus und in die Linie Elf umsteigen.“ Frau Bach zeigt auf den großen Platz mit Springbrunnen, Löwen aus Bronze und einer hohen Säule.

„Wer ist der Typ da oben auf der Säule?“, möchte Marie wissen.

„Admiral Lord Nelson, der in der Schlacht von Trafalgar gegen Napoleon gefallen ist. Wollt ihr auch wissen, wann?“

Alexander blättert in seinem Reiseführer.

„Wenn’s unbedingt sein muss, Herr Lehrer“, knurrt Moritz.

„Muss es nicht, aber ich sag’s euch trotzdem: achtzehnhundertfünf.“

Moritz stöhnt. „Das reicht jetzt aber für die ganze Woche.“

Laura lacht. „Gib dir keine Mühe, Lexi. Moritz vergisst sowieso alles sofort wieder.“

„Ach nee!“ Moritz bläst seine Backen auf. „Wer hat denn wohl die Vier in Geschichte?“

„Dafür habe ich aber …“, will Laura protestieren, doch sie wird von Marie unterbrochen. „Sind jetzt nicht Ferien? Schaut euch mal den tollen Platz an!“

Das bunte Treiben auf dem Trafalgar Square wirkt einladend. Die Kinder beschließen, später noch einmal wiederzukommen.

Der Bus, in den sie nun einsteigen, fährt durch Whitehall, vorbei an Horse Guards und der Downing Street.

Alexander zeigt aus dem Fenster. „Downing Street Number ten! Da wohnt der Premierminister.“

Die anderen werfen einen Blick in die berühmte Straße. Ihre Gedanken sind jedoch schon bei Scotland Yard.

Etwas zögerlich betreten Frau Bach und die Kinder das große moderne Gebäude von New Scotland Yard.

„Das sieht hier ja aus wie in einem Hotel!“, staunt Moritz.

„Ich frage mal am Empfang, wer für diesen Fall zuständig ist.“ Frau Bach geht auf einen Tresen zu, hinter dem eine junge Polizistin mit einem blonden Pferdeschwanz steht. „May I help you?“, fragt sie freundlich. Geduldig hört sie sich Frau Bachs Bericht an und lässt sich den Zettel zeigen. Dann greift sie zum Telefon.

„Jetzt ruft sie wohl den an, der den Fall bearbeitet“, vermutet Alexander.

Kurz darauf kommt ein großer, schlanker Mann in dunklen Hosen und weißem Hemd auf sie zu. Sein langes, schmales Gesicht verzieht sich zu einem freundlichen Lächeln, als er die vier Kinder und Frau Bach begrüßt: „Hello, I’m Detective Inspector Appleby.“

Er führt sie zu einem Fahrstuhl, der sie in die oberste Etage bringt, und öffnet die Tür zu seinem Büro. Unterschiedliche Dinge fallen den Kindern auf. Während Laura über die Ordnung auf seinem Schreibtisch staunt, flüstert Marie ihr zu: „Eine tolle Aussicht hat man von hier oben.“

Alexander starrt begeistert auf den riesigen Bildschirm an der Wand, auf dem der Stadtplan von London mit mehreren roten Punkten zu sehen ist. Und Moritz sagt: „Boah! So viele Telefone!“

Der Inspektor lacht und zeigt auf die Stühle. Sein Gesicht wird ernst, als er sich den Zettel ansieht.

Mit gespitzten Ohren verfolgen die Detektive das englische Gespräch zwischen dem Inspektor und Frau Bach.

Sie verstehen, dass er dankbar für den Hinweis ist. Aber etwas scheint ihn zu verärgern.

„Irgendwie haben die Zeitungen von den Zetteln erfahren. Schon seit Tagen wird alles mächtig aufgebauscht“, erklärt Frau Bach den Kindern. „Die Polizei glaubt, dass es sich um Umweltschützer handelt. Ob es wirklich eine Drohung an die Politiker ist, wissen sie nicht. In der letzten Woche sind mehrere ähnliche Papiere gefunden worden, meistens in Bussen oder auf Parkbänken im westlichen Hyde Park.“

Der Inspektor zeigt auf den großen Stadtplan und auf die roten Punkte. Blitzartig durchzuckt Laura eine Idee.

Sie stupst Alexander an und flüstert ihm zu: „Kannst du dir die Fundstellen einprägen?“

Alexander ist ein Ass, wenn es darum geht, etwas auswendig zu lernen. Er schaut Laura fragend an, nickt dann jedoch. Während Frau Bach noch ein Formular unterschreiben muss, warten die Kinder im Flur.

„Weshalb sollte ich mir das einprägen?“, will Alexander wissen.

„Weil wir Detektive werden wie Sherlock Holmes. Kennwort: Schwarze Spinne!“

Verblüfft starren die anderen drei sie an.

Moritz macht schon wieder dicke Backen. „He, warte! Das kannst du doch nicht einfach so beschließen, ohne uns zu fragen!“

Laura lacht. „Na gut. Frag ich euch eben. Wollen wir den Fall aufklären?“ Marie und Alexander nicken begeistert.

Zögernd stimmt auch Moritz zu. „Aber wie kommst du auf die Idee?“

„Mir ist was aufgefallen, was uns auf die Spur der schwarzen Spinne bringen könnte. Ich erzähle es euch später“, antwortet Laura. „Da ist Mama. Wir sagen ihr lieber nicht, was wir vorhaben.“

Den Kindern passt es gut, dass ihre Mutter den Buckingham Palace fotografieren und dann ihren ersten Bericht schreiben will. So können sie Lauras Idee mit der Detektivarbeit in Ruhe besprechen.

„Habt ihr Fahrkarten, Geld und Handys dabei?“, fragt Frau Bach.

Laura nickt. „Wir essen irgendwo ‚fish and chips‘ und bummeln ein bisschen rum.“

Ihre Mutter ist einverstanden. „Wenn ich fertig bin, rufe ich euch an. Dann holen wir gemeinsam Papa von der Arbeit ab. Falls ihr euch verlauft, meldet euch bitte sofort.“

„Alles klar. Aber wir haben ja einen Stadtplan. Und ein bisschen kennen wir uns schon aus“, sagt Moritz leicht genervt.

Als die Kinder allein sind, bestürmt Moritz seine Schwester. „Was ist dir denn nun aufgefallen?“

Laura grinst geheimnisvoll. „Ihr müsst es eigentlich auch gemerkt haben. Einige Briefe haben auf Bänken im westlichen Hyde Park gelegen, die anderen sind auf einer bestimmten Busstrecke gefunden worden. Ich glaube, dass die schwarze Spinne oft diesen Weg fährt und in den Hyde Park geht. So kommen wir ihr auf die Spur.“

„Klar!“, stimmt Moritz zu. „Wir müssen uns nur in den Hyde Park setzen und warten.“

Alexander guckt zum Himmel, der immer dunkler wird. „Sieht nach Regen aus. Wir können doch auch mit dem Bus fahren und gucken, ob wir sie irgendwo entdecken.“

„Aber auf der Strecke fahren viele Busse“, gibt Marie zu bedenken.

„Es war immer die Fünfzehn. Die Nummer stand auf einer Liste neben Applebys Stadtkarte“, erinnert Alexander sich. „Und die Punkte waren alle zwischen Trafalgar Square und Marble Arch.“ Er faltet den Stadtplan auseinander und zeigt auf die Oxford Street. „Wir waren ja auch mit der Fünfzehn unterwegs, als wir den Zettel gefunden haben.“

Die drei anderen frischgebackenen Detektive sind stark beeindruckt von Alexanders Scharfsinn.

„Mensch, Lexi! Du bist wirklich eine super Spürnase!“ Laura klopft ihrem Freund anerkennend auf die Schulter.

Alexander freut sich über das Lob, doch gleichzeitig ist es ihm ein wenig peinlich. Um von sich abzulenken, sagt er: „Wenn wir Detektive sein wollen, brauchen wir eine Detektivausrüstung.“

Moritz kramt in seinem Rucksack. „Notizblock und Stift haben wir schon mal. Minitaschenlampe, Fernglas und Digitalkamera sind auch da.“

Plötzlich schiebt Laura aufgeregt ihre Brille zurecht. „Ich könnte mich grün und blau ärgern. Wir haben den Zettel bei Scotland Yard abgegeben, ohne ihn vorher zu fotografieren. Dabei war das unser erstes Beweisstück!“

Betroffen schaut Moritz sie an. „Mist! Und wir wollen Detektive sein!“

„Zu der Zeit wussten wir ja noch nicht, dass wir den Fall vielleicht selber aufklären können“, gibt Marie zu bedenken. „Aber falls wir mal wieder ein Beweisstück finden, fotografieren wir es zuerst und untersuchen es nach Fingerabdrücken. Dazu brauchen wir eine Pinzette, einen Pinsel und Fingerabdruckpulver.“

„Tesafilm und eine Lupe müssen wir auch kaufen“, schlägt Alexander vor. „Und Plastiktüten für die Beweisstücke. Falls die Verdächtige mal ihre Spinne verliert.“

„Aber erst müssen wir sie suchen.“ Laura tippt mit dem Finger auf den Busplan. „Wir fahren immer mit der Nummer Fünfzehn zwischen Marble Arch und Trafalgar hin und her. Irgendwann finden wir sie bestimmt.“

Marie will schon zur Bushaltestelle gehen. Doch dann beschließen die Detektive, vorher ihre Detektivausrüstung zu kaufen.

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„So, nun haben wir alles zusammen.“ Moritz freut sich, als er die Sachen in seinem Rucksack verstaut. „Es kann losgehen!“

Aber so einfach ist das nicht. Der Bus ist sehr voll und die Kinder müssen auf den nächsten Doppeldecker mit der Nummer 15 warten.

Laura stampft von einem Bein auf das andere. Und bald wird ihre Geduld noch mehr auf die Probe gestellt.

Viele Male fahren sie die Strecke zwischen Trafalgar Square und Marble Arch hin und her, ohne die Gesuchte zu entdecken.

Als sie wieder einmal bei Lord Nelson am Trafalgar Square aussteigen, stöhnt Moritz. „Ich hab keine Lust mehr! Ich hab Hunger und Durst und bin müde.“

Marie zieht einen Schokoriegel aus ihrer Tasche. „Futter den und zu trinken hab ich auch was.“ Sie reicht ihm ihre Wasserflasche.

Laura knufft ihren Bruder. „Los! Moppel! Reiß dich zusammen. Detektivarbeit ist nicht immer nur spannend.“

Wütend bläst Moritz seine Backen auf. „Moppel!? Na warte!“, knurrt er. „Das gibt Rache!“

Wenig später kommen ihnen zwei Mädchen entgegen. Moritz geht auf sie zu und fragt die eine: „Kannst du mir dein T-Shirt verkaufen?“

Verblüfft guckt das Mädchen ihn an, zeigt ihm einen Vogel und geht weiter.

„Was soll das?“, schimpft Laura. „Wieso quatschst du die auf Deutsch an?“

Moritz grinst. „Die beiden haben deutsche Aufschriften auf ihren T-Shirts. Auf dem einen steht ,Zicke‘. Das wollte ich dir schenken.“

Wütend will sie auf ihn losgehen, doch da kommt wieder der Bus mit der Nummer 15 und die Kinder steigen noch einmal ein.

Wenig später haben Laura und Moritz ihren Streit vergessen. Denn plötzlich macht Alexander die anderen auf ein Mädchen in Schwarz aufmerksam, das gerade zusteigt.

„Ich glaube, das ist sie!“ Und um ganz sicherzugehen, fragt er: „Trägt sie die Spinne am Ohr?“

„Ja, ich kann die schwarze Spinne deutlich erkennen“, flüstert Laura. „Jetzt dürfen wir sie nicht mehr aus den Augen lassen.“

In der Nähe des Kaufhauses Selfridges steigt das Mädchen aus. Nach ihr springen auch die Detektive aus dem Bus. „Das ist unsere erste Verfolgung“, flüstert Marie aufgeregt. „Hoffentlich merkt sie nichts.“

„In dem Gewimmel!“ Moritz zeigt auf die Bushaltestelle. „Schaut mal, sie stellt sich in die Warteschlange. Wo sie wohl hin will?“

„Da kommt die zwei–sieben–vier. Damit sind wir doch zum Sherlock Holmes Museum gefahren“, sagt Laura.

Als das Mädchen einsteigt, bleiben die Detektive ihr auf den Fersen. Um nicht aufzufallen, setzen sie sich dieses Mal nach unten.

„Will die auch den Detektiv besuchen?“, fragt Marie.

Aber das Mädchen steigt nicht an der Haltestelle zum Museum aus.

„Mann, die kommt ja gar nicht wieder runter“, flüstert Moritz seinen Freunden zu.

Laura kichert. „Keine Sorge, oben kann sie nicht aussteigen.“

Nach einer längeren Fahrt am Regent’s Park entlang finden sie sich in Camden Town wieder. Dort ist es fast noch voller als in der Innenstadt. Camden Lock Market ist eine Mischung aus kleinen Geschäften, Trödelmarkt und Ständen mit Kunsthandwerk. Dazwischen werden Speisen und Getränke angeboten, Künstler führen ihre Kunststücke vor oder machen Musik. Es ist bunt und laut.

„Sie steigt aus. Los, hinterher!“, sagt Laura plötzlich. Es fällt den Kindern schwer, weder rechts noch links zu schauen. Alles scheint so interessant und verlockend zu sein. Doch sie dürfen das Mädchen auf keinen Fall aus den Augen verlieren.

„Da! Sie geht in das Ledergeschäft. ‚Paddy’s‘ steht über dem Eingang“, liest Marie vor.

Laura und Marie folgen ihr in das Geschäft und tun so, als wollten sie sich die T-Shirts und die Ledersachen ansehen. Doch im Laden ist nur ein junger Mann, von dem Mädchen fehlt jede Spur.

„Merkwürdig“, flüstert Laura. „Vielleicht arbeitet sie hier. Ich guck mich mal weiter hinten um. Kannst du den Verkäufer nach draußen locken und ablenken? Frag ihn irgendwas zu den Sachen, die da hängen.“

Marie nickt. „Alles klar. Aber … mein Englisch.“

„Lass Lexi das machen. Der ist doch unser Wunderkind“, schlägt Laura vor.

Wenig später hört Laura Alexander nach einem T-Shirt mit einer bestimmten Aufschrift fragen. Nachdem er den Verkäufer nach draußen gelockt hat, verschwindet Laura in den hinteren Räumen. Sie kriecht durch Hosen, Jacken, Ledermäntel, Taschen und Gürtel. Der strenge Geruch bringt sie fast zum Husten. Immer wieder muss sie schlucken, um den Hustenreiz zu unterdrücken.

Plötzlich hört Laura ein leises Schluchzen. Hinter dem Lager scheint noch ein weiterer Raum zu liegen. Neugierig schleicht sie vorwärts. Das Schluchzen wird deutlicher.

Als Laura durch einen Türspalt späht, entdeckt sie das schwarz gekleidete Mädchen in einer kleinen Kammer. Es ist eine Mischung aus Abstellraum und Küche. Die schwarze Spinne hockt in einer Ecke, hält die Hände vor das Gesicht und weint.

Laura hat plötzlich Mitleid mit ihr. Am liebsten würde sie sie trösten. Doch ist es klug, sich zu zeigen? Sie könnte in eine brenzlige Lage geraten. Und ihr Englisch reicht nicht aus, um dem Mädchen zu erklären, warum sie ihr bis hierher gefolgt ist.

Nein, denkt sie. Das ist zu gefährlich.

Gerade will sie wieder zu den anderen gehen, da hört sie Schritte aus dem Laden.

Wahrscheinlich konnten Moritz, Alexander und Marie den Verkäufer nicht länger aufhalten. Näher und näher kommen die Schritte.

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Moritz, Marie und Alexander sind sehr erschrocken, als der junge Mann ins Lager geht, weil er ihnen noch ein besonderes T-Shirt zeigen will.

„Wenn er Laura da hinten findet“, flüstert Marie entsetzt, „dann ruft er bestimmt die Polizei. Was sollen wir bloß machen?“ Betroffen stehen sie da. Plötzlich hat Moritz eine Idee.

Laura hat es gerade noch geschafft, sich hinter einen Kleiderständer mit schwarzen T-Shirts zu zwängen. Durch eine Lücke sieht sie den Verkäufer ganz in ihrer Nähe stehen. Starr vor Schreck hält sie den Atem an.

Ihr Herz klopft so wild, dass sie Angst hat, er könne es hören.

Wenn er mich hier zwischen den T-Shirts entdeckt, hält er mich für eine Diebin, denkt sie und schiebt aufgeregt ihre Brille hoch.

Der Verkäufer nimmt einzelne T-Shirts heraus, betrachtet sie und hängt sie zurück. So dicht es geht, drückt Laura sich an die Wand, damit die Kleiderbügel sie nicht berühren. Als der Verkäufer mehrere T-Shirts auf einmal von der Stange nimmt, zuckt sie erschrocken zusammen. Wenn er jetzt nur einmal in ihre Richtung guckt, muss er sie sehen! Da schützt sie auch die schlechte Beleuchtung nicht.

Plötzlich ruft Moritz etwas in den Laden, das sie nicht versteht. Doch der Verkäufer scheint es verstanden zu haben. Er dreht sich sofort um und rennt nach draußen.

Erleichtert holt Laura erst einmal tief Luft. Da hört sie auch schon Maries Stimme: „Laura! Komm schnell raus!“

Laura kriecht hinter den T-Shirts hervor. „Danke! Das war echt knapp!“

„Ich glaube, er hat nichts gemerkt“, sagt Alexander, der draußen aufgepasst hat.

„Wo ist Moritz? Was hat er gerufen?“, will Laura wissen. „Er hat ‚thief, thief!‘ gerufen und so getan, als hätte jemand etwas gestohlen. Diesen Dieb, den es gar nicht gibt, verfolgen die beiden jetzt“, erklärt Alexander.

„Tolle Idee von Moritz“, sagt Laura anerkennend. Dann berichtet sie, was sie beobachtet hat.

„Warum weint die schwarze Spinne denn wohl?“, überlegt Alexander.

„Keine Ahnung. Vielleicht hatte sie Ärger“, rätselt Laura. „Da sind Moritz und der Verkäufer“, sagt Marie aufgeregt. „Er sieht ziemlich gut aus, finde ich. Vielleicht ist er ja sogar der Ladenbesitzer.“ Sie dreht ihre langen blonden Haare um ihren Zeigefinger und lächelt den jungen Mann schüchtern an. Doch der beachtet sie nicht. Er bedankt sich bei Moritz und kehrt in sein Geschäft zurück.

Als die Detektive sich gerade abwenden, sieht Laura aus dem Augenwinkel einen hellblonden Mann in den Laden gehen. „Hi, Paddy!“, hört sie ihn rufen.

Laura klopft ihrem Bruder auf die Schulter. „Danke, Moritz. Du hast mir echt geholfen. Ich sag auch nie wieder Moppel zu dir.“

Moritz grinst breit. „Einverstanden!“

Nachdem Laura ihrem Bruder von dem Mädchen erzählt hat, überlegen sie, wie es weitergeht. Sie bleiben in der Nähe von Paddy’s und beobachten den Eingang. Und da kommt die Spinne auch schon mit einer Reisetasche in der Hand heraus. Langsam schlendert sie zur Bushaltestelle. „Fröhlich sieht die nicht gerade aus“, stellt Alexander fest.

„Sie will anscheinend Richtung Innenstadt“, sagt Laura. „Los! Hinterher!“

In der Oxford Street steigt das Mädchen aus und stellt sich in die Warteschlange an einer anderen Bushaltestelle. Die Detektive bleiben dicht hinter ihr.

Sie lässt jedoch mehrere Busse abfahren, ohne einzusteigen. Laura wundert sich. „Vielleicht wartet sie wieder auf die Nummer Fünfzehn. Dabei fahren doch so viele Busse die gleiche Strecke.“

Als sie dann wirklich in die 15 steigt und gleich nach oben geht, folgen die vier ihr, ohne zu zögern, und setzen sich ein paar Plätze hinter sie.

Plötzlich holt Moritz den Fotoapparat aus seinem Rucksack. Er knipst in mehrere Richtungen.

„Super, wie Moritz das macht“, flüstert Alexander anerkennend. „Keiner merkt, dass er es nur auf die schwarze Spinne abgesehen hat.“

Als Moritz die Kamera wieder einsteckt, hält er den Daumen hoch und grinst.

Der Bus fährt am Trafalgar Square vorbei, biegt in The Strand ein, fährt durch die Fleet Street und Ludgate Hill.

„Da vorne ist St. Paul’s Cathedral“, sagt Alexander und guckt auf seinen Busplan. „Gleich sind wir beim Tower.“

„Hoffentlich steigt sie bald aus“, flüstert Moritz, der vom Busfahren genug hat.

„Der Bus biegt ab“, stellt Laura fest. „Da! Ich sehe die Tower Bridge!“

„Aber die Spinne bleibt immer noch sitzen. Wo will sie denn bloß hin?“, wundert sich Marie.

Einige Haltestellen später steht das Mädchen endlich auf.

„Sie hat wieder einen Zettel auf dem Sitz liegen lassen“, flüstert Marie, die als Erste an dem Platz des Mädchens vorbeikommt. Schnell steckt sie das Papier ein, denn der Bus hält schon. „Los, runter!“

In größerem Abstand folgen sie dem Mädchen. Marie ist gespannt, was auf dem Zettel steht. Sie faltet ihn auseinander und liest: „,I’m really fed up now!‘ Was heißt das? Ich bin jetzt wirklich satt?“

„Es könnte auch heißen: Jetzt habe ich es wirklich satt“, meint Laura. „Oder: Jetzt habe ich die Nase voll.“

„Oder jetzt reicht es mir wirklich!“, schlägt Marie vor. Alle drei sehen Alexander fragend an.

Der nickt. „Ich glaube, die letzte Übersetzung ist die beste: Jetzt reicht es mir wirklich. Das passt irgendwie zu den anderen Zetteln.“

„Los! Wir dürfen sie nicht verlieren“, mahnt Laura.

„Keine tolle Gegend hier“, stellt Moritz fest, nachdem sie mehrmals links und rechts abgebogen sind. „Jetzt geht sie in den Eingang da drüben.“

Der Eingang ist ein großer Durchgang aus rotem Backstein, der zu einem Hof mit weiteren Hauseingängen führt. Als sie vorsichtig in den Hof spähen, ist das Mädchen nirgends zu entdecken.

„Mist!“, schimpft Moritz. „Jetzt wissen wir nicht, wo sie hineingegangen ist. Und jedes Haus hat wahrscheinlich einen Hinterausgang. Da kann sie uns leicht entwischen.“

„Was würde Sherlock Holmes jetzt tun?“, fragt Alexander. „Außen herumschleichen“, antwortet Laura prompt. „Aber einer muss hier Schmiere stehen.“

„Ich bleibe hier“, bietet Marie an. „Wenn es brenzlig wird, rufe ich dich auf dem Handy an.“

Laura stellt an ihrem Handy den Ton aus, damit es bei einem Anruf nicht laut klingelt, sondern nur in ihrer Tasche vibriert.

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Laura, Moritz und Alexander wundern sich, wie verfallen die Rückseite der Häusergruppe aussieht. „Wahrscheinlich sind nur die vorderen Häuser bewohnt“, vermutet Laura.