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In dieser Reihe erschienen:

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eISBN: 978-3-649-63360-0

Das Buch erscheint unter der ISBN 978-3-649-62504-9.

Berit Bach

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Mit Illustrationen von Heike Vogel

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Inhalt

1. Eine seltsame Begegnung

2. Was ist bloß mit Paul los?

3. Tharanel, der Feenhengst

4. Pauls Geheimnis

5. Emma hat eine Idee

6. Beste Freunde!

7. Jagdgalopp durchs Feenmoor

8. Endlich wieder zusammen!

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1. Eine seltsame Begegnung

»Hast du vielleicht meine Taschenlampe gesehen?«

Mia blickte sich ratlos im Zimmer um. »Gestern lag sie noch auf meinem Schreibtisch. Und jetzt ist sie nicht mehr da.«

»Vielleicht hast du sie schon in deine Jacke gesteckt?«, antwortete Emma und schlug ihr dickes Pferdelexikon zu. »Aber du brauchst sowieso keine.«

»Wieso?« Mia warf Emma einen überraschten Blick zu. »Jan hat doch gesagt, dass wir zum Nachtritt unsere Taschenlampen nicht vergessen sollen.«

»Weil er bestimmt nicht weiß, dass Pferde im Dunkeln total gut sehen können«, grinste Emma. »Aber selbst Reitlehrer müssen ja nicht immer alles wissen.«

»Echt? Pferde können im Dunkeln sehen?«, staunte Mia.

Emma nickte. »Das wusste ich vorher auch nicht. Sogar total hibbelige Pferde werden nachts ruhiger. Weil es dann keine Schatten gibt und sie sich besser auf die Umgebung konzentrieren können. Deshalb haben sie keine Angst.«

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»Aha«, sagte Mia und setzte sich zu Emma aufs Bett, »dann verstehe ich auch, warum Linus beim letzten Nachtritt so entspannt war. Tagsüber ist er im Gelände ja kaum zu halten, aber da war er plötzlich ganz ruhig und ging richtig toll im Schritt und nicht immer in diesem Zuckeltrab. Und woher weißt du das schon wieder alles?«

Emma zeigte auf ihr Buch »Was du schon immer über Ponys wissen wolltest« und sprang auf. »Steht alles da drin. Aber jetzt komm! Die anderen warten schon. Und Jan hat bestimmt auch noch eine Taschenlampe für dich.«

Emma und Mia liefen die steinerne Treppe vom Flockenturm hinunter. Auf Internat Kirschental war jeder Wohnturm nach einem anderen Pferdekopf-Abzeichen benannt, und Emma war sehr froh, dass sie sich ihr Zimmer im Flockenturm mit Mia teilen durfte. Ihr zweiter bester Freund Paul wohnte auch gleich nebenan. »Mensch, wir wollten doch Paul abholen!«, fiel es Emma plötzlich ein. »Ich lauf schnell zurück!« Sie machte auf dem Absatz kehrt und sprang die Stufen wieder hinauf.

»Paul, kommst du?«, rief Emma und riss seine Zimmertür auf. Paul, der auf seinem Bett saß, faltete hastig ein Blatt Papier zusammen. »Schon mal was von Anklopfen gehört?«, maulte er und wischte sich mit dem Handrücken hastig über die Augen.

»Hab ich vergessen, entschuldige. Hast du etwa geweint?«

»Quatsch!«

Paul stopfte das Papier in seine Hosentasche, schnappte sich Rucksack und Jacke und lief an Emma vorbei aus dem Zimmer. Emma sah ihm verdutzt nach.

»Jungs«, seufzte sie, zog die Zimmertür zu und rannte dann auch wieder die Treppe hinunter. Auf einer Stufe lag ein Stück Papier. Emma hob es auf.

»He, Paul! Hast du das gerade verloren?«, rief sie in den Treppenturm. Aber Paul war schon zu weit weg. Emma steckte den Zettel ein und beeilte sich, dass sie zu den anderen kam.

»Wo bleibst du denn?«, empfing Marie sie ungeduldig an der Turmtür, wo auch schon Sofie, deren Zwillingsschwester Hanna sowie Leonie und Mia warteten.

»Wir stehen hier schon eine Ewigkeit.«

»Ich hab noch Paul geholt.« Emma sah sich um. »Aber wo ist er denn?«

»Der ist gerade an uns vorbeigerannt«, antwortete Sofie. »Und sah aus, als hätte er geweint. Was war denn los?«

Emma zuckte mit den Schultern.

»Keine Ahnung. Aber Jungen sind ja manchmal so empfindlich. Das weiß ich von meinem Bruder.«

»Hoffentlich hält er das dann heute überhaupt aus«, sagte Leonie und ihre hohe Stimme klang besorgt. »Unseren Vollmond-Ausritt ins Moor?«, fragte Mia. Leonie nickte. »Pummel kriegt dann bestimmt zu viel, wenn wir eine uralte Moorleiche finden.« Alle Kinder auf Kirschental nannten Paul bloß Pummel, weil er gerne naschte und ein bisschen rundlich war. Nur Emma benutzte diesen Spitznamen nicht. Sie wusste, dass Paul ihn nicht leiden konnte.

»Uhh, wie schrecklich«, schüttelte sich Marie.

Mia verdrehte die Augen. »Oh Mann, Leonie, wir sind hier nicht in einem von deinen Gruselromanen. Das wird ein völlig normaler, aber bestimmt wieder richtig schöner Nachtritt.«

»Da seid ihr ja endlich«, rief Jan, als Emma und die anderen Mädchen im Stall eintrafen. »Ich dachte schon, ihr hättet Angst bekommen und euch ins Bett verkrochen.«

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»Da möchte ich heute wirklich nicht hin«, murmelte Paul.

»Ich auch nicht! Ein Nachtritt ist doch tausendmal spannender«, sagte Emma.

»Nicht deshalb. Sondern weil wieder Vollmond ist«, flüsterte Paul ihr zu. Emma lief ein Schauer über den Rücken. Kurz nach ihrer Ankunft im Internat hatte sie zum ersten Mal das unheimliche Hufgetrappel über Pauls Zimmer gehört. Niemand hatte eine Erklärung dafür. Außer dass es auf Schloss Kirschental in jeder Vollmondnacht spukte.

»Habt ihr alle eure Taschenlampen?«, rief Jan.

»Emma meinte, Pferde können im Dunkeln super sehen und ich brauche keine«, sagte Mia.

»Das stimmt zwar«, grinste Jan. »Aber du bist ja kein Pferd. Und das nächste Mal musst du dir eine neue Ausrede einfallen lassen, wenn du deine Lampe wieder verbummelt hast. Hier, nimm die.«

Jan reichte Mia seine Taschenlampe. »Die hätte ich allerdings gern zurück. Und nun sattelt endlich eure Moorponys. Sonst stehen wir bei Sonnenaufgang noch hier.«

Emmas Pflegepony Lümmel war nicht gerade begeistert, als sie ihn zu so später Stunde noch aus der Box holte. Erst drehte er Emma seinen Hintern zu und dann presste er die Zähne fest aufeinander, damit Emma das Gebiss nicht in sein Maul schieben konnte.

»Sei kein Spielverderber, Lümmel«, seufzte Emma.

»Das wird bestimmt lustig.« Sie drückte mit ihren Fingern auf die zahnfreien Flächen in Lümmels Maul und sofort sperrte er es willig auf. Flink schob Emma das Mundstück hinein, schnallte die Trense zu und hob den Sattel auf seinen Rücken. Sie führte Lümmel als Letzte neben Paul und seiner Stute Flöckchen auf den kleinen Sattelplatz hinaus, wo sich die anderen schon versammelt hatten. Flöckchen wieherte leise und schnupperte an Emmas Jackentasche. Neben ihr stand Nelly und meckerte aufgeregt. Die kleine Ziege war die beste Freundin von Flöckchen.

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»Nelly kommt aber nicht mit«, sagte Jan. »Paul, bring sie bitte in Flöckchens Box.«

»Aber sie meckert dann die ganze Zeit«, widersprach Paul.

»Klar, dass es ihr nicht gefällt, allein zurückzubleiben. Aber das hier ist ein Pony- und kein Ziegenausritt.«

Paul reichte Emma die Zügel von Flöckchen und führte die kleine Ziege unter lautem Protestmeckern in den Stall zurück.

»Wie gern würde ich dich jetzt reiten«, flüsterte Emma Flöckchen zu und streichelte sanft durch ihre weiche Mähne. Aber die bildhübsche Schimmelstute war nun einmal Pauls Pflegepony. Und auch wenn alle sagten, dass Emma viel besser zu ihr passte – niemals würde sie Paul sein geliebtes Flöckchen wegnehmen.

»Dann können wir ja jetzt los«, rief Jan, als Paul wieder auftauchte und sich in den Sattel hievte.

Emma hingegen sprang mit einem gekonnten Satz auf Lümmels Rücken. Das konnte sie, weil sie früher viel voltigiert hatte.