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Berit Bach

Pony-Internat Kirschental

Ein Glückspferd für Emma

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eISBN: 978-3-649-63094-4

www.coppenrath.de

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Inhalt

1. Emma fasst einen Entschluss

2. Zu früh gefreut?

3. Hurra!

4. Willkommen auf Schloss Kirschental!

5. Eine ganz besondere Reitstunde

6. Wolken überm Pony-Paradies

7. Der Glücksbringer

8. Nacht der Entscheidung

9. Wie Geburtstag, Weihnachten und Ostern zusammen!

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1. Emma fasst einen Entschluss

»Mama, ich hab gar keine Halsschmerzen mehr!«, rief Emma mit vollem Mund. »Kann ich doch zur Reitstunde?«

Emma saß im Schlafanzug am Frühstückstisch und löffelte Schokomüsli mit besonders viel Schokolade aus ihrer Schale mit dem Pferdekopf. Dass sie heute nicht zur Schule musste, verdankte sie einer Erkältung, die aber nicht so schlimm gewesen war. Im Unterricht verpasst hatte sie bestimmt nichts, die Schule hatte nach den Sommerferien gerade erst wieder angefangen.

»Wenn du nicht in die Schule gehst, gehst du auch nicht reiten«, sagte Emmas Mama streng. Sie kam gerade aus dem Flur in die Küche und zog sich ihren Mantel über. »Aber als Trost habe ich dir gestern noch die PonyWelt besorgt, schau mal.«

Sie legte die neueste Ausgabe des bunten Ponymagazins auf den Tisch.

»Oh toll, danke!«, rief Emma begeistert und stürzte sich sofort auf das Heft – alle Mädchen in ihrem Reitstall lasen die PonyWelt.

»Emma, bitte!«, ermahnte Mama sie sofort. »Iss erst auf und trink deinen Tee. Der ist gut bei Erkältung.«

Schweren Herzens legte Emma das Ponymagazin zur Seite und verzog das Gesicht. Sie hasste Tee. Und Salbeitee – auch wenn er gegen Halsschmerzen helfen sollte – war eine furchtbare Sache.

»Ich bin spätestens um zwei Uhr wieder da«, sagte Mama. »Dann mache ich uns Fischstäbchen und Kartoffelpuffer.«

»Mit Apfelmus?«

»Mit Apfelmus. Tschüss, mein Schatz.« Mama gab Emma einen Kuss, nahm ihre Aktentasche vom Stuhl und verließ das Haus.

Emma winkte ihrer Mutter durch das Küchenfenster nach, und als sie nicht mehr zu sehen war, sprang sie auf und schüttete den Tee ins Spülbecken. Mit der Müslischale in der einen und der PonyWelt in der anderen Hand hüpfte sie die Stufen zu ihrem Zimmer hinauf. Was könnte es jetzt Schöneres geben, als unter der kuscheligen Bettdecke mit Schokomüsli in der neuesten PonyWelt zu schmökern?

Emma hatte es sich eben gemütlich gemacht, als ihr großer Bruder Max, der später Schule hatte, den Kopf durch die Tür steckte.

»Das ist aber nicht alles Pferdekram, oder?«, fragte er und blickte auf den großen Buchstapel, den Emma gerade wieder aus der Bücherei geholt hatte.

»Lern du erst mal lesen!« Emma warf Max einen ärgerlichen Blick zu.

»Wieso?«

»Weil an meinem Zimmer das Schild mit Nicht stören hängt. Also, tschüss.«

»Mädchen und ihre Stinktiere!«, stöhnte Max, lief die Treppe hinunter und kurz danach krachte die Haustür ins Schloss.

Erleichtert atmete Emma auf. Jetzt war sie endlich mit der PonyWelt allein. Sollte sie erst den witzigen Comic lesen? Oder lieber das Quiz? Das war genauso toll wie die Kindersendung im Fernsehen »Ich liebe Pferde«, in der vier Kinder mit ihrem Pferdewissen wetteiferten. Emma rätselte im Sessel immer mit und erreichte fast jedes Mal die volle Punktzahl, obwohl die Fragen manchmal sehr kniffelig waren. Aber alles, was in ihren Pferdebüchern und der PonyWelt stand, saugte Emma wie ein Schwamm in ihren Kopf, wo es dann auch – im Gegensatz zu manchen Dingen aus dem Matheunterricht – blieb.

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Emma blätterte zu der Quiz-Seite, als ihre Augen plötzlich an einer knallbunten Überschrift hängen blieben:

»Willst du mit Ponys zur Schule gehen?«

stand da in großen Lettern über zwei Seiten, auf denen grüne Wiesen mit Ponys, Wälder und ein Schloss abgebildet waren. In der unteren Ecke war ein Foto von einem lachenden Mädchen mit Mistgabel. »Ausmisten macht Mia Spaß und gehört zum Unterricht dazu«, stand darunter.

Emma blieb der Mund offen stehen. Wie toll war das denn? Eine Schule, in der Ausmisten auf dem Stundenplan stand? Gespannt las sie weiter.

Auf dem Pony-Internat Schloss Kirschental wohnten von Montag bis Freitag zwanzig Kinder, die alle ihr eigenes Pflegepony hatten. Vormittags war wie überall ganz normal Schule und nach den Hausaufgaben am Nachmittag standen Reitstunden, Ausritte und Ponypflege auf dem Programm. Bei Problemen halfen sich die Kinder gegenseitig, denn die Schüler folgten dem Motto Sei fair, gib dein Bestes und hilf anderen dabei!

Am Ende des Artikels stand:

»Hast du Lust, im Pony-Internat Schloss Kirschental zur Schule zu gehen? Dann bewirb dich! Das Pony-Internat vergibt in diesem Jahr noch ein Stipendium. Das bedeutet, du wohnst die Woche über dort und deine Eltern müssen kein Schulgeld zahlen. Schreib mithilfe deiner Eltern auf, warum du unbedingt auf das Pony-Internat möchtest, und vielleicht wirst du dann bald jeden Tag nach der Schule mit deinem Pflegepony und den anderen Ponykindern viel Spaß haben.«

In Emmas Bauch flogen die Schmetterlinge auf und ab, die immer dann auftauchten, wenn sie besonders aufgeregt war. Ein eigenes Pflegepony, wow! Füttern, ausmisten und jeden Tag Reitstunden und mit anderen Kindern über die Wiesen um das Schloss galoppieren!

Das war ja wie Geburtstag, Weihnachten und Ostern zusammen!

Emma sprang aus dem Bett, das restliche Schokomüsli verteilte sich auf dem Bettlaken, während die Milch in die Matratze floss. Egal, das konnte sie auch später noch wegputzen.

Sie holte das Pferde-Briefpapier, das sie zum Geburtstag bekommen hatte, nahm ihren Pferdefüller und setzte sich an ihren Schreibtisch.

»Liebes Pony-Internat,«

begann sie,

»ich heiße Emma (eigentlich Emma Louisa – aber das ist mir immer zu lang) und ich bin gerade neun Jahre alt geworden. Seit ich ganz klein bin, finde ich Pferde toll, am liebsten mag ich Apfelschimmel, und ich lese und sammle alles, wo ein Pferd drauf ist. Ich weiß auch immer alles beim Pony-Quiz in der PonyWelt und bei »Ich liebe Pferde!«. Ich kann supergut voltigieren und seit ein paar Monaten darf ich endlich auch reiten! Als Einzige bin ich schon nach ein paar Wochen von der Schritt-Gruppe in die Galopp-Gruppe gekommen. Meine Reitlehrerin Petra hat gesagt, dass ich bald sogar ein Turnier mitreiten kann!«

Emma schrieb und schrieb. Darüber, dass sie gern Tierärztin, Reitlehrerin oder Ponyzüchterin werden wollte. Oder am besten alles zusammen. Über ihr Lieblingspony Moritz, das sie aber nur einmal in der Woche sah, weil der Reitstall so weit weg war. Und dass es ganz toll sein musste, mit Kindern, die genauso pferdeverrückt waren wie sie selbst, zur Schule zu gehen. Denn nicht nur Max nervte – in ihrer Klasse war niemand, der auch nur ein ganz kleines bisschen so ponyverliebt war wie sie selbst.

Nach zwei Stunden war Emma fertig. Mit klopfendem Herzen überflog sie ihren Brief noch einmal. Dass alles beim Reiten so gut klappte … Na ja, da gab es schon einige Sachen, die sie überhaupt nicht gut konnte. Auf Kommando angaloppieren zum Beispiel. Aber vom Pferd gefallen war sie schließlich erst einmal und die anderen alle schon viel öfter. »Nö, das bleibt jetzt so«, entschied Emma, faltete die Blätter zusammen und steckte sie in den Umschlag mit den Pferdeköpfen. Von ihrem Plan, auf das Pony-Internat zu gehen, würde sie erst einmal niemandem erzählen. Außer natürlich ihrer besten Freundin Sara. Die würde Augen machen!

Eilig schlüpfte Emma in ihren Pulli und in ein Paar Jeans, sauste die Treppe hinunter, schnappte im Vorbeilaufen ihre Jacke von der Garderobe und raste mit dem Rad zur Post.

Gerade noch rechtzeitig, bevor ihre Mutter wieder da war, sprang Emma völlig außer Atem wieder in ihr Bett – mitten in den Müslimatsch. »Bahhh«, schrie sie auf. Den hatte sie ja total vergessen! Schnell organisierte sie ein neues Laken aus dem Schrank ihrer Eltern und stopfte das schmutzige mit ihrem Schlafanzug in den Wäschekorb im Bad.

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Unten fiel die Haustür ins Schloss. »Spatz, ich bin wieder da!«, rief Mama nach oben. »Alles klar?«

»Jaaaaa!«, rief Emma und sprang mit hochrotem Kopf ins Bett. »Alles super!«

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2. Zu früh gefreut?

Im Reitstall gab es kein anderes Thema als den Artikel über Schloss Kirschental. Alle Mädchen aus Emmas Reitgruppe hatten ihn natürlich gelesen und fast alle hatten eine Bewerbung abgeschickt.

»Ich habe eine super Foto-Reportage gemacht«, sagte Steffi, die wieder eine nagelneue Reithose anhatte.

»Ganz viele Bilder von mir und den Ponys habe ich gemacht und meine Eltern haben mir dafür sogar extra neue Reitsachen gekauft. Tolle Hose, oder?« Steffi drehte sich wie ein Model einmal um sich selbst.

»Damit kriege ich den Schulplatz bestimmt!«

»So sicher wäre ich mir an ihrer Stelle nicht«, sagte Luzie leise, die mit Emma Moritz putzte. »Ich habe mit meinem Handy nämlich ein Video gedreht. Hier im Reitstall. Und auch in meinem Zimmer, mit den ganzen Pferdesachen und meiner Pferdesammlung und so. Dann wissen die gleich, dass ich total gut zu denen passe. Und meine Eltern haben auch noch gesagt, wie wichtig Pferde für mich sind. Gut, oder?«

»Hm«, machte Emma und streifte Moritz vorsichtig das Zaumzeug über die Ohren. Er war an den Ohren besonders empfindlich und Emma wollte ihn nicht unnötig ziepen.

»Und meine große Schwester hat dann alles zusammengeschnitten«, fuhr Luzie fort. »Die kann das total gut. Weil die andauernd irgendwelche Musikvideos fürs Internet bastelt.«

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»Ich hätte dich auch fotografieren sollen«, flüsterte Emma, als sie Moritz den Sattel auflegte. »Und meine ganzen Pferdebücher! Aber daran habe ich überhaupt nicht gedacht! Ich wollte meinen Brief einfach nur schnell abschicken. Voll blöd.« Moritz stampfte ungeduldig mit dem Huf auf und schubberte seinen Kopf an Emmas Schulter. »Willst du vielleicht gar nicht, dass ich auf das Pony-Internat gehe?«, fragte Emma und zupfte Moritz’ Schopf unter dem Stirnband hervor. »Weil wir uns dann gar nicht mehr sehen?« Moritz schnaubte. »Ach, du bist echt süß«, seufzte Emma und umarmte Moritz. Dass er so lieb war, war ein echter Trost. »Und wenn ich doch auf das Pony-Internat komme, besuche ich dich bestimmt jedes Wochenende«, sagte Emma und lief mit Moritz und den anderen in die Reithalle. Wenn sie es doch nur irgendwie schaffen würde!

Während der Reitstunde konnte sich Emma überhaupt nicht konzentrieren. Wenn die anderen so tolle Fotos und Videos an das Pony-Internat geschickt hatten, dann hatte sie mit ihrem Brief bestimmt keine Chance. Wie schade! Sie hatte sich schon auf dem Rücken ihres Pflegeponys – einem hübschen Apfelschimmel natürlich – über die Wiesen von Schloss Kirschental galoppieren sehen.

»Emma, träum nicht!«, rief Petra. »Du trabst schon eine halbe Runde auf dem falschen Fuß! Umsitzen! Und das nächste Mal gleich besser aufpassen!«

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3. Hurra!

»Hier ist ein Brief für dich«, rief Mama drei Wochen später, als Emma schon gar nicht mehr an das Pony-Internat dachte.

»Von einem …«, Emmas Mutter drehte den Umschlag herum, »… Schloss Kirschental. Bestimmt Werbung. Aber woher haben die denn deinen Namen?«

»Von Schloss Kirschental?« Emma riss ihrer Mutter das Kuvert aus der Hand und rannte in ihr Zimmer. Dort warf sie sich aufs Bett und öffnete mit zitternden Fingern den Umschlag.

»Liebe Emma«, stand da,

»herzlichen Glückwunsch! Deine Bewerbung

um ein Stipendium in unserem Pony-Internat hat uns sehr gefallen.« Emma schluckte. Sie konnte kaum weiterlesen, so sehr flatterte der Brief in ihren Händen.

»Wir laden Dich daher für drei Tage ins Pony-Internat ein. In dieser Zeit entscheidest Du mit den anderen Kindern, ob ihr gemeinsam auf Schloss Rosenfels zur Schule gehen wollt und Du den kostenlosen Schulplatz erhältst.«

Emma starrte auf den Brief. Sie konnte kaum glauben, was sie da gerade gelesen hatte. Sie las die Zeilen noch einmal. Und noch einmal. Und dann hatte sie es verstanden: Sie hatte den Schulplatz im Pony-Internat bekommen!

»Hurra! Hurra!«, schrie sie und sprang jubelnd durch ihr Zimmer.