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Bereits erschienen:

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Die Hörbücher gibt es bei image, gelesen von Anna Thalbach.

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eISBN 978-3-649-62902-3

© 2018 Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG,

www.coppenrath.de

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Inhalt

WASSERGYMNASTIK ZUM FRÜHSTÜCK

EIN HAIFISCHBLÖDER MORGEN?

EINE VERFISCHT MERKWÜRDIGE ENTDECKUNG

IN GEHEIMER MISSION

DIE POLIZEI, DEIN FREUND UND HELFER

JETZT WIRD’S WILD!

EIN EINSAMER HAARREIFEN

DAS UNHEIMLICHE WRACK

LAUT SINGEN HILFT IMMER

RETTE SICH, WER KANN!

ANGRRRIFF!

DER HILFSTRUPP DES MEERES

KUNG–FISCH!

DER GLASZAUBER

DAS FEST DER SONNENSTRAHLEN

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Erinnerst du dich noch an diese besonders tiefe Stelle im Meer? Dort, wo das Wasser nachtschwarz und finster erscheint? Ja? Wunderbar! Dann weißt du natürlich längst, dass der Meeresgrund da unten überhaupt nicht dunkel ist. Es sieht nur von oben so aus. In Wirklichkeit schimmert es dort hell und licht, bunt und fröhlich. Überall leuchtet es ozeanblau, algengrün und wasserliliengelb, es glitzert in den schönsten Regenbogentönen.

Selbstverständlich kennst du dann auch die kleine Nixe Meja Meergrün, die inmitten dieser Farbenpracht in der Unterwasserstadt Lyckhav lebt. Natürlich nicht allein! In Mejas Haus mit der meergrünen Glocke auf dem Dach wohnt auch Mejas Vertrauter, die Kümmerkröte Padson. Und ihre besten Freunde Bollarbi, die freche Kegelrobbe, der kleine Delfin Caspar und Brillo, der Kugelfisch, kommen immer wieder zu Besuch. Außerdem wimmelt es in Lyckhav nur so von ungewöhnlichen Fischen, sprechenden Pflanzen und vielen großen und kleinen Meerleuten. Einige von ihnen, ganz besonders schillernde Meermädchen, sorgen in Mejas neuem Abenteuer für jede Menge Spannung. Sie geraten nämlich in … aber halt! Nicht so schnell, immer schön der Reihe nach. Oder wie Meja sagen würde: ahoi und schwipp-schwapp! Vorhang auf!

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Tief unten im Ozean, in den dunklen Wassern des Fjords, herrschte absolute Meeresstille. Nur ein paar vereinzelte Laternenfische drehten ihre nächtlichen Runden und sorgten für mattes Dämmerlicht. Gähnend kuschelten sich die Bewohner von Lyckhav noch einmal in ihre Nixenbetten und Muschelkojen, in die Wasserschneckenhäuser oder Algenmatten und genossen den Frieden bis …

„Nein. Nein, nein, niemals-nicht! Verfischte Miesmuschel! Ich gehe nicht zur Schule. Auf gar keinen Fall!“, brüllte Meja Meergrün so laut, dass man es in ganz Lyckhav hören konnte. Das Wasser brodelte und spritzte, so heftig schlug sie mit ihrem Schwanz hin und her.

Klatsch!, wirbelte ein Strudel die gelbe Brille aus dem Gesicht der Kümmerkröte Padson.

Flatsch!, torkelten die kleinen Gold- und Silberkrabben, die stets im Haus herumwuselten, mit der Strömung durch die Küche.

„Hoppla! Pass doch auf, Meja!“, rief Lille erschrocken.

Mejas kleiner Seestern, der als Nachtlicht an der Decke über ihrem Schlafplatz hing, wäre beinahe heruntergeplumpst. Dabei hatte Meja sich doch fest vorgenommen, dass sie auf Lille achten würde. Genau wie sie war der kleine Seestern nämlich etwas ganz Besonderes. Lille konnte nicht nur sprechen, er war auch ein magischer Seestern. Zusammen mit ihm besaß Meja Zauberkräfte! Kurz bevor ihre Eltern zu ihrer geheimen Forschungsreise aufgebrochen waren, hatten sie Meja den Seestern als Glücksbringer geschenkt. Und seither trug ihn die kleine Nixe jeden Tag an einer Kette um den Hals. Genau wie sie es ihren Eltern versprochen hatte.

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„Meja! So ein Nixenaufstand, so ein Durcheinander“, brummte Padson. „Und wofür? Nur weil du meerbrausiges Mädchen nicht zu Frau Bläck in die Muschelkiste gehen willst. Dabei ist der Unterricht in der Unterwasserschule so, so wichtig für dich.“

Padson sah das wilde Meermädchen streng an. Das musste er tun, auch wenn er manchmal überhaupt keine Lust dazu hatte. Padson war zwar Mejas Freund, aber er hatte auch einen Auftrag: Er hatte Mejas Eltern zugesichert, ein Auge auf das Mädchen zu werfen. Meja war sein Kümmerkind!

„Hoppladi!“ Mit einem Satz hüpfte das Meermädchen auf den Frühstückstisch und von dort an den Kronleuchter. Schwungvoll schaukelte Meja mit ihrer langen Schwanzflosse hin und her. Her und hin. Hin und her. „Willst du auch mal, Padson?“, rief sie übermütig. „Schwippschwapp! Das macht so richtig Spaß. Komm schon, sei kein Angstfisch!“ „Meja“, schimpfte Padson, „nun lass doch den Quatsch! Hörst du mir denn gar nicht zu? Ich rede mit dir!“

„Klar höre ich dir zu.“ Meja lachte und hopste mit einem eleganten Sprung zurück auf den Boden. „Aber ich muss schließlich meine Morgengymnastik machen. Das siehst du doch wohl ein, lieber Padson. Ich muss mich strecken und recken …“ Meja machte sich ganz lang. „Und ordentlich dehnen.“ Sie breitete die Arme zu beiden Seiten aus. „Unbedingt wackeln.“ Schon schlackerte Meja energisch mit dem Po. „Und das Hüpfen nicht vergessen“, rief sie beschwingt und sauste wie eine Flummiqualle hoch und runter. „Fertig!“, verkündete sie schließlich.

Zum Glück, denn Padson wurde schon ganz seekrank vom Zusehen.

„Bewegung muss sein. Habe ich Mama und Papa versprochen. Sonst werde ich schlapp wie … wie … na ja, wie so eine alte Kümmerkröte!“

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„Frechheit“, brummte Padson liebevoll. Er wusste längst, dass Meja es nicht böse meinte. Sie war einfach ein bisschen wild und vorlaut und pfiffig und … einzigartig.

Eben Meja Meergrün!

„Was ist denn jetzt mit der Schule?“, fragte Padson. „So langsam solltest du dich beeilen! Frau Bläck wartet sicher nicht ewig.“

Frau Bläck, eine Tintenfischdame von gewaltigem Ausmaß, war die strenge Lehrerin der Unterwasserschule Muschelkiste. Sie sorgte dafür, dass alle Meermädchen in Lyckhav die Dinge übten, die eine echte Nixe nun mal lernen sollte: Perlen für hübsche Ketten auffädeln, die seidigen Haare bürsten, mit entzückenden Goldkrabben spielen oder artig zuhören, wenn Frau Bläck Geschichten aus dem Meer vorlas. Sehr niedlich. Nur leider auch sehr brav. Und deshalb viel, viel zu öde für Meja!

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„Muss ich wirklich da hin?“, nuschelte das Meermädchen. „Da ist es so pupslangweilig, dass sich meine Glitzerschuppen wellen.“

Padson wiegte bedächtig den Kopf hin und her. „Vielleicht wird es heute gar nicht so langweilig, wie du denkst. Vielleicht bereitet Frau Bläck mit euch schon einige Sachen für das große Fest der Sonnenstrahlen vor.“

Das Fest der Sonnenstrahlen! Das hatte Meja tatsächlich ganz vergessen. Bei dieser wunderbar bunten Feier kamen alle Unterwasserbewohner zusammen, um zu essen, zu trinken und zu tanzen. Viele Stunden feierten sie, dass die Sonne endlich wieder bis zu ihnen in die Tiefe drang. An diesem Abend war es so weit! Aber ob Frau Bläck wirklich vorhatte, mit ihnen das Fest vorzubereiten?

„Vielleicht, vielleicht, vielleicht … auch nicht!“, trällerte Meja. „Weißt du, Padson. Darauf will ich mich mal lieber nicht verlassen. Für das Fest der Sonnenstrahlen kann ich mir auch ganz gut allein etwas überlegen. Und zwar nach Meja-Art. Hier in meinem Haus mit der meergrünen Glocke wird es bestimmt niemals so langweilig wie in der Schule!“

Doch Padson blieb eisern, und Meja musste einsehen, dass es sinnlos war. Heute gab es keine Ausreden, sie musste zur Muschelkiste schwimmen und brav sein. Pfui Qualle!

Mit einem tiefen Seufzer wollte sie zur Tür hinaussausen, doch Padson hielt sie an der Schwanzflosse fest.

„Halt, halt! So geht das aber nicht, Meja! Erst lässt du dich noch von unserem Kratzfisch im Bad ordentlich abbürsten.“ Padson rümpfte die Nase. „Ein bisschen Seelilienseife von deiner Mama kann auch nicht schaden!“

Schwipp-schwapp, schon war Meja im Bad verschwunden und keine eins … zwei … drei Sekunden später wieder zurück. Sie düste an dem verdutzten Padson vorbei und rief unternehmungslustig: „Jetzt hab ich es aber wirklich eilig. Muss doch vor der Schule nachsehen, ob in Lyckhav auch alles in Ordnung ist! Nicht, dass irgendwo wieder das Licht ausgegangen ist. Oder irgendwer in einem fiesen Fischernetz steckt und darauf wartet, befreit zu werden.“

„Hallo?“, japste Padson. „Stopp mal. So schnell kann sich doch kein Meermädchen gewaschen haben. Hörst du mich? Meeejaaaaa!“

Doch seine Rufe verhallten ungehört, sie rauschten einfach – flutsch! – an Mejas Ohren vorbei.

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Kaum hatte Meja das Haus mit der meergrünen Glocke verlassen, kribbelte ihre Schwanzspitze wie verrückt. Meja wollte Abenteuer erleben! Wie ihre Eltern war sie nämlich eine Forscherin und Weltenerkunderin. Sie konnte sich gar nicht sattsehen an dem saftigen Meersalat, den bunten Quallen oder dem lila-grünen Seegras, das träge im Wasser schaukelte. Am liebsten jagte sie mit den blauen Rochen um die Wette, die übrigens nur in Mejas Welt blau waren.

„Hej, hej!“, rief Meja gerade einer Horde Seepferdchen zu, als sie hinter sich eine laute Stimme hörte.

„Meja, warte mal, okay? Ich begleite dich.“

Als sie über die Schulter sah, paddelte Bollarbi auf sie zu. Die Kegelrobbe strahlte. „Und was stellen wir heute Morgen Lustiges an?“

„Vergiss es, Bollarbi, der Morgen wird nicht lustig. Leider. Ich muss nämlich in die Schule.“ Meja verzog den Mund. „Hab es Padson versprochen.“ Doch dann knuffte sie Bollarbi zwinkernd in den Robbenbauch und rief: „Aber für eine schnelle Runde Fangenspielen habe ich noch locker Zeit. Schnapp mich!“

Schon sauste Meja los. Mitten hinein in die Tiefen des Fjords. Und mitten hinein in die geheimnisvolle Unterwasserwelt von Lyckhav.

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Von den Fischern, die hoch oben auf den Wellen mit ihren Booten umherschipperten, ahnte Meja nichts. Und auch die Fischer hatten keine Ahnung davon, was für ein Geheimnis sich unter ihnen verbarg. Dort, wo der Hafen der kleinen Menschenstadt ins offene Meer mündete, lag Lyckhav gut verborgen unter den grauen Schären und den grünen Holmen mit dem dichten Moos, den schmalen Birken und mächtigen Tannen.

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Inmitten dieser wunderbaren Welt hatte Bollarbi längst aufgegeben, Meja zu fangen. Seine Freundin war mal wieder zu flink für ihn gewesen. Nun paddelten die zwei friedlich Seite an Seite durch den schillernden Lyckhaver Morgen.

„Ahoi, ihr Laternenfische!“, rief Meja fröhlich. „Schwipp-schwapp, ihr Putzerfische!“ Interessiert beobachtete sie, wie die Arbeiter der Lyckhaver Unterwasserreinigung die Algenfelder und Wasserstraßen von Schmutz säuberten. Schwungvoll kippten die Putzerfische die vollen Schaufeln mit Abfall in die weit geöffneten Mäuler der Müllfische.

„Guten Hunger!“, brüllte Meja ihnen zu.

Erfreut winkten sie zurück.

„Hallo, Meja!“

„Schönen Tag, kleine Nixe!“

„Fröhlichen Morgen, Meja Meergrün!“

Alle liebten das kleine Meermädchen, das immer bester Laune war. Auch die Marktleute nickten freundlich, als Meja mit Bollarbi im Schlepptau an ihren Ständen vorbeiwirbelte. Sogar die trägen Sägefische, die müde vom Aufbau der Stände an einem Tisch Karten kloppten, knatterten zur Begrüßung. Meja warf ihnen einen Handkuss zu, schnupperte hier und kostete dort. Es duftete nach Brötchen, knackigem Meersalat, frischen Austern und Meerpflaumen. Einfach köstlich!

„Ahoi, Frau Knubbig“, sagte Meja, als sie am Stand der gemütlichen Seekuh vorbeikamen.

„Meja, Bollarbi, ihr seid es. Habt ihr Hunger?“, begrüßte Frau Knubbig die beiden.

„Ich schon!“ Meja nickte.

Bollarbi dagegen schüttelte den Kopf. „Mir ist gerade mehr nach was Fischigem, okay?“

Lächelnd drückte Frau Knubbig Meja ein warmes, duftendes Seegrasbrötchen in die Hand. Herrlich! Zu gern hätte sich das Meermädchen noch ein paar weitere Leckereien geschnappt und mit Bollarbi irgendwo ein Unterwasserpicknick gemacht. Aber leider musste sie ja – verfischt noch mal! – zur Schule.

Meja seufzte, während sie mit ihrem Robbenfreund langsam … sehr laaaangsam … sehr, seeeehr laaaangsam Richtung Muschelkiste paddelte. „Mach nicht so schnell, Bollarbi! Nur noch ein paar Schwimmzüge, dann sind wir ja schon da. Was für ein blöder, haifischblöder Morgen!“ Bollarbi stopfte sich gerade eine dicke Fischgräte ins Maul. „Isch doch nisch schlümm“, nuschelte er mit vollen Backen. „Du bischt bestümmt gleisch wieda da!“

„Worauf du dich verlassen kannst!“ Meja stopfte sich den Rest vom Brötchen in den Mund, kaute energisch, schluckte und packte schließlich den Griff an der Eingangstür zur Schule. „Frau Bläck wird sich noch wundern!“

Doch in diesem Punkt sollte sich das Meermädchen täuschen. Mejas Besuch in der Schule würde kein bisschen langweilig werden. Und die Einzigen, die sich an diesem Morgen wundern würden, waren Bollarbi und Meja!

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„Äh … oh … hm …“, machte Meja und blickte Bollarbi mit ihren großen Mandelaugen an.

Bollarbi blinzelte ahnungslos zurück. „Wo sind denn alle hin?“

Meja zuckte die Schultern. „Ich habe keine Ahnung …“

„Aber das ist doch suuuuper!“ Bollarbis Miene hellte sich auf. „Dann hast du jetzt frei. Meerschulfrei.“

Doch Meja schüttelte nur den Kopf. Ihr kam die leere Muschelkiste irgendwie komisch vor. Merkwürdig. Verdächtig.