Irrlichter und Riesenkürbisse

„Flora und ihre Freundin Hille haben mir ein paar sehr interessante Dinge erzählt“, fuhr die Oberhexe fort.

Turdus hatte sich wieder gefangen und grinste nun. „Wie soll das möglich sein, sie haben doch keine Sti …“, dann brach er ab.

„Keine Stimmen, wolltest du sagen, nicht wahr?“ Die Oberhexe funkelte Turdus bitterböse an.

Flora räusperte sich. „Ich habe meine Stimme wieder“, sagte sie etwas krächzend.

„Ich meine auch“, meldete sich Hille.

„Wunderbar“, sagte Punica Granata zufrieden. „Dann macht euch gleich an die Arbeit.“

Flora flog mit Hille auf der Schulter hoch zu den beiden steinernen Raben. Diesmal würde Turdus nicht wieder dazwischenfunken!

Flora fing an, mit ihrem Zauberstab Kreise in der Luft zu malen. So wie es im Hexenkochbuch gestanden hatte.

Dann begann sie, die Zauberformel zu sprechen. Hille flüsterte Flora immer wieder Wörter ein, wenn sie ihr nicht einfallen wollten. Als Flora die letzte Silbe gesprochen hatte, geschah es: Die beiden Raben fingen an, sich zu regen. Im Stein entstanden Risse und schließlich bröckelte alles ab und ihr schwarzes struppiges Gefieder kam wieder zum Vorschein.

„Nux! Borax!“, rief Flora voller Freude.

Und dann passierte etwas, womit niemand gerechnet hatte. An der ganzen Hausfassade begann der Stein zu bröckeln.

„Was ist da los?“, hauchte Hille erschrocken.

Tiefe Risse zogen sich vom Erdgeschoss bis unter den Dachfirst. Der Marmor fiel in großen und kleinen Brocken auf die Straße und plötzlich zwitscherte, knurrte und zischelte es überall. All die steinernen Tiere wurden plötzlich lebendig. Schlangen begannen, sich an den Fenstersimsen entlangzuwinden. Vögel flatterten mit ihren Flügeln, Igel spreizten ihre Stacheln und Mäuse liefen die Hauswand hinunter. „Das gibt’s doch nicht“, rief Flora. „Alle Tiere an der Hausfassade waren versteinert. Alle!“

„Turdus!“, rief Punica Granata. „Was hast du nur getan? Ich hätte niemals gedacht, dass du hier echte Tiere versteinert hast!“

„Wie grauenvoll!“, wimmerte Hille. „Turdus hat wirklich kein Herz!“ „Oder eines aus Stein“, meinte Flora. „Aber jetzt beruhige dich, Hille. Nun ist ja alles gut!“

Die Oberhexe flog näher an Turdus heran. „Nach dem, was ich jetzt gesehen habe, habe ich nicht den geringsten Zweifel, dass auch der Rest der Geschichte stimmt! Diese kleine Helfe hier hat mir alles erzählt. Turdus Merula, ich bin entsetzt! O, wie konnten wir alle nur so auf dich hereinfallen!“, rief die Oberhexe.

„Aber nein, du irrst“, flehte Turdus. Er stand mit schlotternden Knien auf dem Balkon. Aus seinem Gesicht war alle Farbe gewichen.

„So sieht jemand aus, dem man auf die Schliche gekommen ist“, flüsterte Flora Hille zu, die auf ihrer Schulter saß.

„Ja, jetzt geht es Turdus endlich an den Kragen“, wisperte Hille.

Durch die lauten Stimmen wurden ein paar Hexen angelockt. Sie versammelten sich unten auf der Straße und verfolgten neugierig mit, was hier geschah.

Punica Granata sah Turdus bitterböse an. „Der Hexenrat und ich allen voran haben dir die magischen Tiere anvertraut, Turdus. Wir haben uns schwer in dir getäuscht!“ Die Oberhexe schüttelte sich, als sei sie angewidert. „Und dann hast du auch noch alles auf die arme Betula geschoben. Dabei ist sie diejenige, die sich in Wahrheit gut um die Tiere kümmert.“

Turdus wollte etwas erwidern, aber Punica schnitt ihm das Wort ab. „Turdus, du bist eine Schande für das gesamte Hexenvolk! Du hast wirklich nichts begriffen! Das Zaubern verleiht uns Hexen und Hexern Macht. Aber diese Macht darf nur für gute Zwecke eingesetzt werden!“

Flora flog mit ihrem Besen ganz dicht an die Oberhexe heran und zupfte sie am Ärmel. „Turdus soll uns sagen, wohin er meine Freunde entführt hat“, flüsterte sie ihr zu.

„Wohin hast du die beiden Hexenjungen gebracht?“, donnerte Punica Granata.

Turdus riss unschuldig die Augen auf. „Iiiich? Ich habe keine Ahnung, wo die Kinder sind. Der Drache hier“, er deutete hektisch auf Estragon, „der weiß, wo die Hexenjungen sind. Ich habe damit rein gar nichts zu tun.“

Nun war es mit der Geduld von Punica Granata endgültig vorbei. Dass Turdus nun seinen Drachen, der ihm so treu zur Seite stand, verriet, das war einfach zu viel.

„Turdus Merula, verschwinde aus dem Hexenrosental“, sagte die Oberhexe mit zorniger Stimme. „Lass dich hier nie wieder blicken!“ Turdus schaute ganz verdattert.

„Jetzt sofort!“, sagte die Oberhexe. Ihre Stimme war so klar und fest, dass Turdus es nicht mehr wagte zu widersprechen.

Er setzte sich auf seinen Besen. Wie ein Häufchen Vogeldreck hockte er darauf und schwebte davon. Allein die acht grauen Vögel, die Flora verfolgt hatten, flogen ihm nach.

Bald waren sie allesamt nur noch als kleine Pünktchen in der Ferne zu erkennen.

Punica Granata landete auf dem kleinen Balkon neben Estragon und Flora tat es ihr gleich. Die Oberhexe stieß einen tiefen Seufzer aus. „Wie hatte ich mich nur so blenden lassen können“, murmelte sie.

„Wir müssen jetzt unsere Freunde suchen“, erinnerten Flora und Hille. Die Oberhexe nickte. „Ihr habt vollkommen recht!“

„Wir wissen, in welche Richtung sie verjagt wurden“, ließ sich da eine krächzende Stimme vernehmen. Borax!

„Auch wenn wir uns dort oben an der Fassade nicht bewegen konnten, sehen und hören konnten wir alles“, ergänzte Nux.

„Und wo sind die beiden?“, fragte Flora ungeduldig.

„Hinter dem Magischen Tierhaus. Im Moor“, antwortete Borax.

„Was?“ Flora ließ sich mit ihrem Besen hastig zu Boden sinken und Punica Granata folgte ihr. Hinter der Oberhexe segelte auch der dicke Drache mit seinen kleinen Flügeln zu Boden.

Flora stürmte um das Haus herum. Gleich hinter dem Garten begann das Moor. Dicker Nebel breitete sich darüber und verschmolz mit dem Himmel. Estragon spie einen Feuerstrahl aus.

„Ins Moor hast du sie hineingejagt?“, rief Flora entsetzt. „Du widerlicher Kerl!“

„O nein“, rief Hille. „Das Moor ist doch so gefährlich, man kann darin versinken. Und Malte und Laurus hatten ihre Besen nicht dabei. Sie mussten also zu Fuß hindurchlaufen. Hoffentlich sind sie nicht im Schlamm stecken geblieben!“

„Oder von den Irrlichtern entführt worden“, murmelte Flora. Sie spürte ein dumpfes Gefühl im Bauch. Wie ein schwerer Stein fühlte sich das an.

„Man kann nicht einfach ins Moor gehen und jemanden suchen“, überlegte die Oberhexe. „Auch über das Moor einfach drüberzufliegen geht nicht. Die Irrlichter würden uns ebenfalls entführen. Schon in alten Zeiten sind immer wieder Hexenleute ins Moor geraten und nie wieder herausgekommen.“

„Ich weiß, wer uns helfen kann“, rief Flora plötzlich. „Die Leuchtkröten! Turdus hat nicht alle aus dem Moor geholt. Es sind noch viele da. Sie haben sicher beobachtet, wohin Malte und Laurus entführt worden sind.“

„Flora Flitzebesen, das ist großartig“, sagte die Oberhexe. Sie richtete sich auf und wirkte wieder ganz lebendig. „Die Leuchtkröten kennen das Moor in- und auswendig. Außerdem lassen sie sich nicht von den Irrlichtern in die Irre führen. Sie beachten sie gar nicht.“

„Nux, Borax“, rief Flora. „Könnt ihr mit den Leuchtkröten sprechen?“ „Ja“, sagte Nux. „Wir können mit allen magischen Tieren sprechen.“ „Fragt sie, ob sie Malte und Laurus gesehen haben und wohin sie gebracht worden sind“, sagte die Oberhexe.

Die Raben flatterten los und kehrten nach kurzer Zeit zurück.

„Die Leuchtkröten haben genau gesehen, wohin Malte und Laurus gejagt worden sind“, berichtete Borax.

„Sie werden uns den Weg leuchten“, ergänzte Nux.

Und so geschah es. Es bildete sich eine lange Reihe aus kleinen Lichtern quer durch das Moor. Langsam schwebten Flora, die Oberhexe und Hille an den Lichtern vorbei. Immer tiefer kamen sie ins Moor hinein. Es war kalt und es roch nach faulem Schlamm. Unheimlich war es hier, aber Flora hatte Mut gefasst. Die Leuchtkröten würden sie zu ihren Freunden führen.

Plötzlich sprang Kringel aus dem Stoffbeutel.

„Kringel, bleib hier!“, rief Flora erschrocken.

In der Ferne hatte der Kater ein Licht erblickt und begann, darauf zuzulaufen. „Kringel, nein! Das ist ein Irrlicht!“, rief Flora. Ihr Herz raste vor Angst.

Da hörte sie ein raschelndes Geräusch. Es war die Efeuranke auf ihrem Hut. Sie schlingerte durch die Luft wie ein Lasso. Im nächsten Augenblick hatte sie Kringel eingefangen. Flora zog ihn an der Ranke zu sich zurück, dann bohrte sie ihre Nase in sein Fell. „Du kleiner, süßer Kater, ich hatte solche Angst um dich“, flüsterte sie.

„Seht ihr, wie gefährlich die Irrlichter sind?“, rief die Oberhexe. „Man ist wie von Sinnen und läuft darauf zu.“

Flora kam es wie eine Ewigkeit vor, dass sie über das Moor schwebten. Doch schließlich machten die Kröten vor einer knorrigen Weide halt. „Und was nun?“, fragte Punica Granata. Hilfe suchend sah sie sich nach den Raben um. Aber sie waren nirgends zu sehen.

„Haben die Kröten uns auf eine falsche Fährte gelockt?“, murmelte Flora.

„Nein, nein, die Leuchtkröten haben euch den richtigen Weg gezeigt“, meldete sich eine fiepsige Stimme.

Die Spinne Linne war aus Floras Hut gekrochen und saß nun auf der Hutkrempe.

„O, eine magische Spinne“, rief die Oberhexe aus. „Ich liebe Spinnen. Sie bringen Glück!“

„Danke, das freut mich sehr“, sagte Linne.

Flora nahm ihren Hut ab und sah die Spinne ungeduldig an. „Linne, was meinst du damit? Warum soll das der richtige Weg sein?“

„Turdus Merula hat einmal diese Weide erwähnt. Das war, als ich noch im Magischen Tierhaus lebte. Er sprach davon, dass es mitten im Moor eine alte, hohle Weide gebe. Nymphen verstecken sich darin, denn von außen kann niemand erkennen, dass der Stamm hohl ist.“ „Vielleicht haben die Irrlichter Laurus und Malte in die hohle Weide hineingelockt“, rief Flora aufgeregt.

„Na, das ist es eben, was ich glaube“, sagte Linne.

Die Oberhexe flog voraus. Dann folgte Flora mit Kringel und zuletzt flatterte Hille an die Weide heran. Oben, wo die feinen Äste aus dem Stamm wuchsen, war tatsächlich ein Loch.

„Ich glaube es nicht“, flüsterte Hille.

„Malte, Laurus? Seid ihr da drin?“, rief die Oberhexe.

Nichts rührte sich.

„Laurus, Malte!“, riefen da Flora und Hille gemeinsam.

Ein Husten war zu hören. Und dann rief jemand: „Wir sind hier. Hier unten!“

Der nächste Tag war sonnig und für einen Herbsttag recht warm. Wie jedes Jahr wurde das große Kürbisfest gefeiert. Alle Hexen und Hexer im Tal brachten ihre schönsten Kürbisse mit. Der größte gewann einen Preis. Außerdem sollte am Nachmittag das Wettklettern auf dem größten Kürbis stattfinden.

Dieses Jahr fand das Kürbisfest im Garten des Magischen Tierhauses statt. Der Hexenrat hatte befunden, dass viel Fröhlichkeit und Musik diesem Ort guttun würde. Denn die Angst und Traurigkeit, die die magischen Tiere verspürt hatten, hing noch in den Gemäuern.

Im Garten duftete es nach allen möglichen Köstlichkeiten. Es gab gebratene Pilze, Ofenkartoffeln, Pfannkuchen mit Beeren und Kürbiskuchen.

Einfach alle waren gekommen und im Garten wimmelte es nur so von magischen Tieren.

Flora und ihre Freunde hatten sie heute Morgen aus dem Efeuhäuschen geholt. Aber niemand, absolut niemand, würde jemals erfahren, wo sie die Tiere die ganze Zeit versteckt gehalten hatten.

„Wir wollen nun unsere Gläser erheben, auf die Helden des Hexenrosenstädtchens“, verkündete Punica Granata. „Flora Flitzebesen und ihre Freunde: Malte Wolke, Laurus Nobilis und Hille Helleborus haben ein großes Übel aufgedeckt. Sie haben mit sehr viel Mut und Klugheit die magischen Tiere gerettet! Kommt mal zu mir aufs Podest, ihr vier!“

Etwas verlegen stolperten Flora, Malte und Laurus die paar Stufen hoch. Hille hielt sich dicht an Flora. Sie kaute aufgeregt auf ihrer Lippe herum.

„Zur Belohnung bekommen die vier jeder ein Zauber-Kistchen von mir“, sagte die Oberhexe.

Es wurde heftig geklatscht und Punica Granata verteilte vier hübsche Holzkisten.

„Danke“, sagten Flora, Malte und Laurus.

Hille wollte ihr Zauber-Kistchen erst gar nicht annehmen. „Helfen helfen ohnehin“, erklärte sie. „Das liegt in unserer Natur.“

„Das war weit mehr als helfen“, meinte die Oberhexe. „Das war tapfer, mutig und heldenhaft, was ihr geleistet habt!“

Die Oberhexe fuhr mit ihrer Ansprache fort. „Wir alle haben uns von Turdus Merula täuschen lassen und müssen daher in Zukunft wachsamer sein. Wir dürfen nicht die Augen und Ohren verschließen. Wir haben Betula Alba sehr unrecht getan, sie nicht einmal zu Wort kommen lassen.“

Es war totenstill geworden. Alle hörten gespannt zu, was die Oberhexe zu sagen hatte.

„Wir brauchen nun jemanden, der sich wirklich gut um die magischen Tiere kümmern kann“, fuhr Punica Granata fort. „Niemand kann das besser als Betula Alba.“

Alle versammelten Hexen und Hexer und auch all die Helfen nickten zustimmend.

Die Oberhexe räusperte sich. „Darum habe ich Betula besucht und sie eingeladen. Hier ist sie!“

Zur großen Überraschung von allen schwebte ein Besen heran und hielt neben der Oberhexe. Betula stieg ab. Auf ihrer Hutkrempe lag wie immer die gelbe Schlange und schaute neugierig umher.

„Liebe Betula“, sagte die Oberhexe laut und deutlich. „Ich frage dich hier vor allen Stadtbewohnern: Verzeihst du dem Hexenrat, dass wir dich fortgeschickt haben? Und wärst du bereit, das Magische Tierhaus zu leiten? Du allein?“

Betula lächelte: „Ja, ich verzeihe dem Hexenrat. Und ja, ich möchte mich wieder um die magischen Tiere kümmern! Aber unter einer Bedingung: Die Tiere sollen freiwillig zu uns kommen. Dies soll nicht nur ein Haus sein, sondern ein Heim. Unser Magisches Tierheim!“ Ein Jubelgeschrei ging durch die Menge. Ein paar Kicher-Eichhörnchen sprangen hinauf auf das Podium. Sie kletterten an Betula hoch und brachten sie zum Lachen. Im Nu rannten auch all die anderen magischen Tiere zu Betula und umringten sie.

Wenig später saß Flora zusammen mit Hille, Malte und Laurus auf einer Gartenbank. Sie knabberten alle an gegrillten Maiskolben. Da kam Punica Granata zu ihnen.

„Eines würde ich noch gern wissen, Flora“, begann sie. „Woher kennst du diesen Hexenspruch?“

„Den, mit dem man versteinerte Wesen erlöst?“, fragte Flora.

„Ja, genau“, sagte die Oberhexe.

Malte stieß Flora warnend in die Seite. Aber Flora hatte ohnehin nicht vor, etwas von dem Hexenkochbuch mit der unsichtbaren Schrift und all den Sprüchen darin zu verraten. Das war das Geheimnis des Geheimbundes. Sie zuckte mit den Schultern.

Punica Granata bohrte weiter: „Das ist höchste Hexenkunst! Kein Hexenkind kennt einen solchen Spruch. Nicht mal ich kannte ihn!“ „Calendula“, sagte Hille schnell. „Calendula hat uns den Spruch beigebracht.“

Das war glatt gelogen, aber was sollte man machen? Calendula war Omimis beste Freundin und hatte das größte Hexenwissen im Dorf. Die Oberhexe schien mit dieser Antwort zufrieden zu sein und fragte nicht weiter nach. Stattdessen deutete sie auf die kleinen Holzkistchen. „Passt gut auf eure Zaubertinkturen auf. Ihr werdet sie sicher noch gut brauchen können. Ich habe nämlich das Gefühl, dass ihr vier noch eine ganze Menge Abenteuer zusammen erleben werdet.“

„Wir fünf“, sagte Flora und deutete auf Kringel.

„Du hast recht, ihr fünf.“ Punica Granata lächelte und entfernte sich. Flora sah ihre Freunde der Reihe nach an. „Glaubt ihr das auch? Dass wir noch viele Abenteuer erleben werden?“

Hille hob ihre Nase in die Luft: „Ich glaube, ich kann das nächste schon riechen.“

„Ich bin jedenfalls bereit für ein neues Abenteuer“, sagte Flora.

„Ich auch!“, riefen Laurus, Malte und Hille gleichzeitig. Kringel maunzte.

„Ja, Kringel, du auch“, sagte Flora und drückte den flauschigen Kater fest an sich.

Das Besenwettfliegen

Als Flora kurz vor Mittag zusammen mit ihrer Mama und Omimi auf der großen Wiese hinter dem Hexenrosenstädtchen ankam, hatten sich schon ganz viele Hexen und Hexer versammelt.

Mitten in dem Getümmel kam Hille, die kleine Helfe, angeflattert und ließ sich auf Floras Schulter nieder.

„Hille!“ Flora strahlte. „Danke, dass du den weiten Weg vom Birkenwald hierhergeflogen bist.“

„Das ist ja wohl ganz klar. Ich muss doch meiner besten Freundin zusehen, wenn sie zum ersten Mal in ihrem Leben beim großen Wettfliegen mitmacht!“, sagte Hille. Die kleine Helfe hatte eine schmale Gestalt und hauchzarte durchsichtige Flügel auf dem Rücken. Ihre Stimme aber passte so gar nicht zu ihr. Sie klang immer ein bisschen heiser und ein wenig zu tief für ein so kleines zartes Wesen.

„O sind da viele Hexen“, sagte Hille.

Flora nickte und sah sich mit großen Augen um.

Da ertönte die Stimme von Punica Granata, der Oberhexe: „Liebe Bewohner des Hexenrosentals, ich begrüße euch ganz herzlich zum alljährlichen Besenwettfliegen! Teilnehmen dürfen alle Hexen und Hexer zwischen 8 und 888 Jahren.“

„Ich glaube, es geht bald los“, sagte Hille. „Ich fliege rauf zur Linde. Da sitzen auch Nux und Borax. Ich werde dir von dort aus zusehen.“ Flora nickte erneut. Inzwischen war sie so aufgeregt, dass sie kaum noch sprechen konnte.

Die Oberhexe fuhr fort: „Dieses Jahr haben wir uns etwas Besonderes einfallen lassen. Es geht nicht nur um Schnelligkeit, sondern auch um Geschicklichkeit …“

Flora hörte nur mit halbem Ohr zu. Das wusste sie doch schon alles von Mama und Omimi. Der erste Teil des Wettbewerbs würde ein Hindernisfliegen sein, und wenn man alle Hindernisse überwunden hatte, flog man, so schnell man nur konnte, über die weite Mohnblumenwiese. Wer danach als Erster durch das große Spinnennetz am Ende der Wiese flog, war der Sieger.